Die Spielwarenbranche wird oft übersehen, wenn es um Probleme in der Lieferkette geht. Jedoch gibt es auch hier zahlreiche Fälle von Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen. Maik Pflaum, Vorstand der Fair Toys Organisation (FTO), engagiert sich dafür, diese Missstände anzuprangern und eine bessere Zukunft für die Beschäftigten zu schaffen. In einem Interview mit Tobias Schwab spricht er über die Herausforderungen in der Spielwarenbranche und die Bedeutung des neuen Siegels für soziale Verantwortung.
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Bezahlung in der Spielwarenbranche unzureichend für Grundbedürfnisse
Die Bezahlung ist ein zentrales Anliegen in der Spielwarenbranche, da der regionale Mindestlohn oft nicht ausreicht, um die Grundbedürfnisse der Beschäftigten zu decken. Um genug Geld zum Leben zu verdienen, sind viele Beschäftigte gezwungen, Überstunden zu machen. Dieses Problem ist in der Spielzeugproduktion noch ausgeprägter als in der Textilindustrie, da Spielwaren ein extrem saisonales Geschäft sind und die Arbeitssituation daher unregelmäßig ist.
Während der geschäftigsten Zeit des Jahres in der Spielwarenbranche, den drei Monaten vor Weihnachten, sind die Beschäftigten einem enormen Arbeitsdruck ausgesetzt. Um die hohe Nachfrage zu befriedigen, arbeiten sie oft rund um die Uhr und sind bis zur totalen Erschöpfung tätig. Diese intensive Arbeitsbelastung führt dazu, dass sie ihre Familien leider nur selten sehen können.
Mangelnde Sicherheit: Spielwarenproduktion vernachlässigt Gefahren durch Chemikalien
Die Spielwarenproduktion steht vor einem weiteren Problem, das den Einsatz von Chemikalien betrifft. Viele Spielzeuge werden mit einer hohen Konzentration an Lösungsmitteln und Weichmachern hergestellt, was ein erhebliches Risiko für die Gesundheit der Arbeiter und die Umwelt darstellt. Diejenigen, die täglich mit diesen Chemikalien arbeiten, sind einem erhöhten Risiko für schwere gesundheitliche Probleme ausgesetzt. Bisher hat die Branche wenig unternommen, um diese Zustände zu verbessern.
Neues Siegel für soziale Verantwortung in der Spielwarenindustrie
Als Lösung für die vorhandenen Missstände in der Spielwarenbranche hat die Fair Toys Organisation ein neues Siegel für soziale Verantwortung entwickelt. Dieses Siegel wurde in enger Zusammenarbeit mit Spielzeugfirmen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, kirchlichen Organisationen, dem Deutschen Spielwarenverband, der Stadt Nürnberg und der Spielwarenmesse entwickelt.
Bei dem Siegel für soziale Verantwortung der Fair Toys Organisation handelt es sich um eine Auszeichnung, die nicht nur einzelnen Produkten verliehen wird, sondern das gesamte Unternehmen betrachtet. Hersteller, die das Siegel erhalten möchten, müssen ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten erfüllen und Sozial- und Umweltstandards in ihren Lieferketten einhalten. Das Siegel ist ein Indikator dafür, dass das Unternehmen ethische und verantwortungsvolle Geschäftspraktiken umsetzt.
Der Fair Performance Check ist ein jährlich durchgeführter Bewertungsprozess, der Unternehmen anhand klar definierter Kriterien bewertet. Unternehmen, die mindestens 85 Prozent der Anforderungen erfüllen, erhalten das Siegel für soziale Verantwortung.
Fokus auf Management: Fair Toys Organisation vermeidet Greenwashing
Die Fair Toys Organisation setzt mit ihrem Siegel auf eine höhere Glaubwürdigkeit als die Selbstzertifizierung der Industrie. Sie betrachtet nicht nur einzelne Produkte, sondern alle Prozesse im Unternehmen, um Greenwashing zu vermeiden. Darüber hinaus wird nicht primär die Kontrolle der Zuliefererfabriken in den Fokus gerückt, sondern auch das Management der Unternehmen.
Die Unternehmen müssen ihre Einkaufspraktiken in Frage stellen und verändern, um sicherzustellen, dass menschenwürdige Arbeitsbedingungen geschaffen werden. Durch Schulungen und die Implementierung von Beschwerdemechanismen können die Unternehmen ihre Mitarbeiter und Zulieferer für dieses Thema sensibilisieren und Veränderungen vorantreiben.
Fair Toys Organisation gewinnt bekannte Namen der Spielzeugindustrie
Namhafte Unternehmen wie Faller, Haba, Heunec, Sigikid, Zapf Creation und der Franckh-Kosmos-Verlag sind Teil der Fair Toys Organisation. Diese Unternehmen haben sich dazu verpflichtet, ihre Prozesse zu verbessern und den Anforderungen der Spielwarenbranche gerecht zu werden.
Die Fair Toys Organisation hat vor, ihre Mitgliederzahl zu steigern, indem sie weitere Spielwarenhersteller gewinnt. Dabei verfolgt sie das deutsche Lieferkettengesetz als Rahmen, um sicherzustellen, dass die Unternehmen ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen erfüllen. Die FTO bietet den Unternehmen einen Werkzeugkasten an, der ihnen dabei hilft, ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten umzusetzen. Durch diese Maßnahmen zielt die FTO auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und des Umweltschutzes in der Spielwarenbranche ab.
Romero-Initiative berät Stadt Köln bei fairer Spielzeugbeschaffung
Das gestiegene Bewusstsein für faires Spielzeug zeigt sich darin, dass immer mehr Verbraucher und Einrichtungen sich mit den Arbeitsbedingungen in der Spielwarenbranche auseinandersetzen. Ein konkretes Beispiel ist die Romero-Initiative, die die Stadt Köln bei der Beschaffung von Spielzeug berät und auf diese Weise einen großen Einfluss auf den Markt ausübt. Da es sich dabei um Aufträge im Millionenbereich handelt, ist die Wirkung besonders signifikant.
Sicherheit geht vor: Spielzeug nicht wahllos im Internet bestellen
Um sicherzugehen, dass das zu Weihnachten verschenkte Spielzeug unter fairen Bedingungen hergestellt wurde, rät Maik Pflaum davon ab, es wahllos im Internet zu bestellen. Insbesondere Produkte aus China könnten ohne ausreichende Kontrolle produziert worden sein. Stattdessen empfiehlt er, den Fachhandel aufzusuchen und gezielt nach Mitgliedsfirmen der Fair Toys Organisation zu suchen.
Mit Hilfe des Fair Performance Checks können Verbraucher einschätzen, wie wichtig Unternehmen soziale Verantwortung nehmen und ob sie sich in Richtung besserer Arbeits- und Umweltstandards bewegen. Es wird empfohlen, dass Verbraucher ihre Kaufentscheidungen bewusst treffen und sich für hochwertige und nachhaltige Produkte entscheiden, anstatt minderwertige Produkte zu kaufen.
Spielzeugbranche im Wandel: Fair Toys Organisation für bessere Standards
Die Fair Toys Organisation engagiert sich aktiv für eine Verbesserung der Arbeits- und Umweltstandards in der Spielwarenbranche. Ihr Siegel für soziale Verantwortung bietet eine glaubwürdige Alternative zur Selbstzertifizierung der Industrie. Durch die ganzheitliche Betrachtung des Unternehmens und nicht nur einzelner Produkte wird Greenwashing vermieden.
Die Unternehmen werden dazu aufgefordert, ihre Beschaffungspraktiken zu überdenken und sicherzustellen, dass ihre Zulieferer menschenwürdige Arbeitsbedingungen bieten. Das zunehmende Bewusstsein der Verbraucher trägt dazu bei, dass sich immer mehr Unternehmen der Fair Toys Organisation anschließen und einen positiven Wandel in der Spielzeugbranche vorantreiben.